Spenden ohne Zweckbindung?!

Zweckbindung von Spenden ist im Fundraising ein komplizierter Sachverhalt. Versehen Spendende ihre Spende mit einer Zweckbindung, ist diese für die Organisation bindend: Sie darf dann nur für diesen Zweck eingesetzt werden. Ist dies nicht möglich, muss die Spende zurückgegeben oder die Zweckbindung durch die Spender:innen aufgehoben werden. Erst dann darf sie auch für andere Zwecke eingesetzt werden.

Für Organisationen stellt eine Zweckbindung eine große administrative und operative Herausforderung dar. Zunächst muss buchhalterisch die Spende zum jeweiligen Projekt oder Programm gebucht werden. Dadurch kommt es vor, dass einzelne Zwecke überspendet sind, ohne dass die Spenden dann für andere Zwecke eingesetzt werden können. Darüber hinaus gibt es andere Zwecke und vor allen Dinge Bedarfe, die nicht bespendet werden. Hierzu gehören nicht zuletzt Verwaltungskosten, die zwar zwingend notwendig, aus der Sicht von Spender:innen jedoch wenig attraktiv sind. Während einige Bereiche so tendenziell überfinanziert sind, fehlt es bei anderen an den notwendigen Ressourcen.

Warum werben Fundraiser:innen keine Spenden ohne Zweckbindung ein?

Damit stellt sich die Frage, warum Fundraiser:innen keine Spenden ohne Zweckbindung einwerben, wenn diese Organisationen vor einer Reihe von zusätzlichen Herausforderungen stellt. Die Standard-Antwort lautet: Spender:innen wollen wissen, wofür sie spenden und reagieren deshalb auf konkrete Projekte und Programme. Die These hinter dieser Aussage lautet, dass Spender:innen im Grunde eine Zweckbindung ihrer Spende wollen. Ihnen eine Zweckbindung anzubieten, ist eine Voraussetzung, damit sie überhaupt spenden – zumindest die Mehrzahl von ihnen.

Gibt es überhaupt den Spender oder die Spenderin?

Diese Aussagen enthalten einige Annahmen und Unterstellungen, die so pauschal eher schwierig sind. So gibt es beispielsweise DEN Spender oder DIE Spenderin nicht (mehr). Während noch bis vor wenigen Jahren Spender:innen demografisch gut beschrieben werden konnten, hat sich dies verändert: Demografisch unterscheiden sich Spender:innen nicht mehr von denjenigen, die nicht spenden. Auch Spender:innen selbst sind keine homogene Gruppe. So unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Gebe-Logiken: Während einige für Opfer in einer konkreten Notsituation geben, spenden andere, um eine Mission zu erfüllen. Und für Dritte schließlich sind ihre Spenden Investitionen – in die bedachten Organisationen oder über die Organisation in die Gesellschaft.

Menschen spenden in unterschiedlichen Gebe-Logiken

Diese nicht abgeschlossene Aufzählung macht schon deutlich, dass Menschen nicht nur aus unterschiedlichen Gründen spenden, sondern dies auch noch in unterschiedlichen Logiken tun. Und in diesen Logiken liegt der Grund, warum für einige Menschen die Zweckbindung notwendig ist und für andere nicht.

Menschen, die andere Menschen oder Tiere in einer akuten Notsituation helfen wollen, werden tendenziell eher auf einer Zweckbindung bestehen. Aus ihrer Sicht ist ihre Spende zur Abwendung einer akuten Notsituation gedacht. Dies schließt aus, sie für andere Zwecke einzusetzen. Aus Sicht der Spendenden würde dann ja der Zweck – die Hilfe in der akuten Situation – gefährdet.

Eine ähnliche Logik lässt sich beschreiben, wenn für konkrete Projekte oder Programme geworben wird. Diese sind wichtig, um einen Anlass für die Kommunikation zu haben. Allerdings sind aus Sicht der Spendenden dann die Spenden auch für das konkrete Projekt oder Programm. Für etwas anderes wurde nicht gebeten. Dass es Menschen gibt, die nur für konkrete Projekte spenden, ist selbstverständlich und soll auch nicht in Abrede stehen. Der Hinweis an dieser Stelle: Es gibt auch andere Menschen, die in einer anderen Logik spenden.

Menschen, die eine Mission unterstützen

Denn wenn Menschen eine Mission unterstützen oder sich als Investoren verstehen, gehen sie mit einem anderen Fokus an die Thematik. Für sie sind Projekte und Programme Mittel – und keine Zwecke – um ein Ziel jenseits der Projekte und Programme zu erreichen: In einem Fall sind dies die Verwirklichung der Werte, im anderen die versprochene Wirkung. In jedem Fall geht es darum, die Welt ein Stück besser zu machen. Und die Menschen spenden dann genau hierfür: Für die Gestaltung einer besseren Welt.

Zielgruppe ist eine strategische Frage

Damit ist die Frage, ob eine Spende mit einer Zweckbindung versehen wird, vor allen Dingen eine strategische Frage des Fundraisings selbst. Denn es geht um die Frage, welche Zielgruppen im Fundraising angesprochen werden. Je nachdem, welche Zielgruppe ausgewählt wird, spielt Zweckbindung für die Spendenden eine größere oder auch gar keine Rolle.

Herausforderungen in der Kommunikation

Hinzu kommen zwei weitere Notwendigkeiten: Es geht neben der Definition der Zielgruppe auch um die Kommunikation selbst. Solange wir einzelne Projekte und Programme bewerben, dominiert eine Zweckbindung. Erst wenn Projekte und Programme in einen größeren Kontext gestellt werden, wird für den Kontext gespendet und nicht mehr für die Projekte und Programme.

Dies setzt allerdings – und das wäre die zweite Notwendigkeit – auch voraus, dass dieser größere Kontext auch benannt und kommuniziert werden kann. Dies bedeutet bspw. dass die Mission der Organisation auch so formuliert ist, dass sie auf Ebene der Werte anschlussfähig ist. Dafür müsste dann im Mission Statement auch die Warum-Frage beantwortet werden – etwas, das vielen Organisationen heute immer noch schwerfällt.

Fazit

Ob Spenden mit Zweckbindungen versehen sind, ist eine Frage der Ansprache und der Zielgruppe und liegt damit im strategischen Entscheidungsbereich der jeweiligen Organisation. Wer also öfter Spenden ohne Zweckbindung erhalten möchte, muss das Fundraising umstellen, sich auf neue Zielgruppen ausrichten und die Kommunikation verändern. Erfahrungen zeigen, dass dies gelingen kann, aber an einer Reihe von Voraussetzungen und damit Herausforderungen für die einzelnen Organisationen verbunden bleibt.

 

Eine nachhaltig finanzierte Zivilgesellschaft, die die Welt ein Stück besser macht und ohne Ausbeutung und Selbstausbeutung auskommt, ist die Mission von Dr. Kai Fischer. Deshalb beschäftigt er sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Aufbau langfristiger Beziehungen zu Förder/innen und bietet hierfür Strategie-Beratungen, Inhouse-Workshops und Seminare an.

 

Dr. Kai Fischer

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