Mythos #9: Menschen spenden nur für Projekte
Menschen wollen wissen, wofür sie spenden. Schließlich möchten sie mit ihren Ressourcen die Welt zu einem besseren Ort machen. Bedeutet das aber auch, dass sie ausschließlich für Projekte spenden?
Dieser Mythos hält sich hartnäckig – hat aber einen anderen Ursprung: Sowohl Stiftungen als auch der Staat finanzieren fast ausschließlich Projekte. Die kameralistische Haushaltsführung des Staates verlangt eine präzise Zweckbindung öffentlicher Mittel. Dies soll Verschwendung verhindern und Ausgaben durch den Rechnungshof prüfbar machen – beides ist nachvollziehbar und notwendig.
In der Folge organisieren sich viele gemeinnützige Organisationen rund um Projekte und Programme. Das entspricht auch einer internen Logik: Mitarbeitende werden angestellt, um konkrete Projekte umzusetzen, für die sie Verantwortung übernehmen.
Auch im Fundraising zeigt sich diese Logik: Es wird meist betrieben, um Finanzierungslücken in bestehenden Projekten und Programmen zu schließen. Sobald in Projekten Bedarfe identifiziert werden, die durch vorhandene Mittel nicht gedeckt sind, soll Fundraising diese Lücke füllen. Entsprechend werden Spenden gezielt für diese Defizite eingeworben. Projekte und Programme – samt ihrer Finanzierungslücken – rücken so ins Zentrum des Fundraisings.
Doch wie wirkt das aus Sicht der Spender:innen? Wenn sie eine Organisation unterstützen möchten, geben sie zwar auch für konkrete Bedarfe in Projekten – aber mit der Spende ist ihr Beitrag geleistet. Begeisterung entsteht so selten. Und mit der Spende können Beziehungen auch schon wieder beendet sein.
Wer Menschen wirklich begeistern will, muss die Perspektive wechseln. Es geht dann um ambitionierte, vielleicht sogar unrealistische Ziele – und vor allem um die Mission der Organisation: ihre Werte, ihre Emotionen, ihre Vision. Auch Menschen, die für die Mission spenden, wissen, warum sie geben und was ihre Spende bewirkt: Sie sehen sich als Teil einer Bewegung, die die Welt verändert. Und: Wofür die Spenden im Detail eingesetzt werden, weiß in der Regel die Organisation besser als die Spendenden selbst.
Spenden für Projekte sind oft eine Projektion: Die Organisation überträgt ihre interne Logik auf die Spendenden. Doch diese lassen sich viel weniger von Projekten und Programmen begeistern als von gemeinsamen Werten und Zielen. Denn erst diese bilden die Grundlage für eine Gemeinschaft, stiften Sinn – und führen zu langfristigen Beziehungen.
Wer ausschließlich für Projekte und Programme Spenden sammelt, denkt zu kurz – und vergibt nicht nur Einnahmepotenzial, sondern auch die Chance auf nachhaltige, tragfähige Beziehungen.
Dr. Kai Fischer
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