Warum „Friendraising“ nicht nur falsch ist, sondern auch gefährlich werden kann

Eine der klassischen Mythen im Fundraising kreist um das „Friendraising“: Statt um Geld zu bitten, versucht die Organisation, Freund:innen zu gewonnen, die ihr dabei helfen, ihre Ziele zu erreichen – so wie es Freund:innen „im richtigen Leben“ ja auch tun.

Grundsätzlich positiv an dieser Herangehensweise ist, dass nicht mehr das Geld im Mittelpunkt steht (Mythos #1), sondern soziale Beziehungen. Denn im Fundraising geht es nun mal eher um den Aufbau sozialer Beziehungen – darum, gemeinsam die Welt zu einem besseren Ort zu machen –, als nur um die Beschaffung von Ressourcen. Insofern geht der Blick aufs „Friendraising“ schon in die richtige Richtung, aber er trifft nicht ganz ins Ziel.

Was meint „Freundschaft“?

Geht man dem Begriff der Freundschaft nach – bspw. in der Wikipedia – dann wird deutlich, dass damit ein besonderes Verhältnis von gleichberechtigten Menschen beschrieben wird. Neben gegenseitiger Sympathie und ähnlichen Vorstellungen gehört hierzu immer auch eine besondere Dichte der Kommunikation. Lässt diese nach, lösen sich Freundschaften auf.

Es ist natürlich verführerisch, von einer gleichberechtigten Beziehung zu Förder:innen auszugehen. Aber es ist fraglich, ob diese Beziehungen wirklich gleichberechtigt sind, bzw. gleichberechtigt sein sollten. In der Regel gibt die Organisation die Richtung vor: Ihre Mission ist die Grundlage der Beziehung. Über ihre Theory of Change werden Aktivitäten entwickelt und umgesetzt. Im besten Fall können Förder:innen sich anschließen und Ressourcen bereitstellen, um gemeinsam die Mission zu verwirklichen oder diese durch ihre Spende anerkennen. Das ist aber alles andere als gleichberechtigt, auch wenn man gemeinsame Ziele verfolgt.

Die Intentionalität von Beziehungen

Hinzu kommt, dass Fundraiser:innen immer intentional handeln: Ihr Auftrag ist es schließlich, Ressourcen einzuwerben, auch wenn Fundraising primär nichts mit Geld zu tun hat. Mit anderen Worten: Im Fundraising werden Beziehungen aufgebaut, um gemeinsam die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Damit dies gelingen kann, werden die Ressourcen der Förder:innen benötigt. Darin liegt der Zweck der Beziehung. Intentionales Handeln verträgt sich aber nicht mit der Logik gleichberechtigter Freundschaften. Wer in Freundschaften intentional handelt, kann sie schnell zerstören.

„Freundschaft“ kann gegenseitige Übergriffe begünstigen

Problematisch wird diese Sichtweise, wenn man sich die praktischen Auswirkungen dieser Definition anschaut: Freundschaften sind spezifische Beziehungen zwischen Menschen – und nicht zwischen Menschen und Organisationen. In Freundschaften hat der Austausch von Ressourcen spezielle Funktionen: Freund:innen tauschen nicht nur materielle Ressourcen, sondern auch emotionale Unterstützung, und sie verbringen Zeit miteinander. Deshalb öffnet die Freundschafts-Semantik im Fundraising die Tür zu gegenseitigen Übergriffen und unprofessionellem Verhalten. Damit ist sie eine der möglichen Ursachen von unethischem Verhalten im Fundraising – was sich an verschiedenen Beispielen immer wieder gezeigt hat.

Es gibt Spender:innen, die für die Freundschaftsmetapher empfänglich sind. Es sind die eher Einsamen, denen Freund:innen und andere Formen von Beziehungen fehlen. Sie sehen in dem Fundraiser oder der Fundraiserin dann den Freund oder die Freundin, mit der man in angenehmer Weise Zeit verbringen kann. Gegen die Möglichkeit, gemeinsam in angenehmer Atmosphäre Zeit zu verbringen, ist nichts einzuwenden. Problematisch wird es, wenn – unter Verweis auf die Freundschaft – die Zeit auch an Heiligabend oder Weihnachten eingefordert wird.

Auch andersherum können Freundschaften im Fundraising problematisch sein: Wenn Freundschaften auch der emotionalen Unterstützung dienen, erfahren Fundraiser:innen unter Umständen intime Details aus dem Leben der Förder:innen. Dürfen diese im Fundraising genutzt werden, wenn es darum geht, Spenden einzuwerben? Wann ist eine solche Nutzung ein Bruch der Vertraulichkeit innerhalb von Freundschaften?

Beziehungen, um gemeinsam etwas zu erreichen

Damit zeigt sich: Fundraising ist ein besonderes Verhältnis zwischen Fundraiser:innen und Organisationen auf der einen und Förder:innen auf der anderen Seite. Sie gehen zwar Beziehungen ein, aber nur mit dem Zweck, gemeinsam etwas zu erreichen – nämlich die Mission der Organisation zu erfüllen und damit die Welt zu einem etwas besseren Ort zu machen. Damit sind es jedoch funktionale Beziehungen und keine Freundschaften. Auch wenn Freundschaften entstehen können, sind sie insgesamt im Fundraising eher problematisch. Wir sollten endlich auf diese Vorstellung verzichten und danach streben, erwachsene, professionelle Beziehungen zu etablieren.

Eine nachhaltig finanzierte Zivilgesellschaft, die die Welt ein Stück besser macht und ohne Ausbeutung und Selbstausbeutung auskommt, ist die Mission von Dr. Kai Fischer. Deshalb beschäftigt er sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Aufbau langfristiger Beziehungen zu Förder/innen und bietet hierfür Strategie-Beratungen, Inhouse-Workshops und Seminare an.

 

Dr. Kai Fischer

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