4 Gründe, warum Aufmerksamkeit nicht weiterhilft
Es ist noch gar nicht so lange her, da saßen wir in einer Runde von Verantwortlichen, die ein Kommunikationskonzept erarbeiten wollten. Wie bei jedem Konzept ging es dabei zunächst um die Frage nach dem Ziel. Einhellige Meinung der meisten Anwesenden: „Aufmerksamkeit“ solle erreicht werden. Aufmerksamkeit ist sicherlich nicht schlecht, aber wofür?
Wir fragten weiter. Und dann kam heraus: Es ging um Förderer, um Kunden und auch um Agenda Setting bei politischen Entscheidungsträgern. Ging es also nicht eher um diese Ziele? Ist Aufmerksamkeit vielleicht nur eine Strategie, um diese Ziele zu erreichen – und nicht ein Ziel an sich?
Und dann gibt es da natürlich noch eine Frage: Ist „Aufmerksamkeit“ wirklich eine gute Strategie oder gute Maßnahme? Um es gleich vorwegzunehmen: Aufmerksamkeit schadet selten, manchmal ist sie sogar hilfreich. Aber wann und wofür?
Unsere Beratungsprojekte zeigen jedoch: In der Regel wird „Aufmerksamkeit“ als Wert an sich total überschätzt. In der Praxis liegt dies an folgenden Gründen:
1. Aufmerksamkeit ersetzt keine Positionierung
Erinnern Sie sich noch an die Werbung einer Kleidermarke, die mit einem Blut befleckten Shirt aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg Reklame machte? (Ein Beispiel finden Sie hier). Die Werbung war neu, radikal und aufmerksamkeitsstark. Das ganze Land sprach darüber: Darf man das?
Natürlich können Sie mit einem Tabu-Bruch Aufmerksamkeit erlangen. Nur wissen die Menschen dann auch, wofür Sie stehen? Wir würden Ihnen hingegen empfehlen, Ihre Organisation so zu positionieren, dass eine Botschaft nicht durch Aufmerksamkeit verdeckt wird. Denn es ist ein häufiger Fehlschluss, dass über Aufmerksamkeit auch Ihre Botschaft mit verbreitet wird. In der Regel ist dies nicht der Fall.
Die Regel ist: Positionierung und Botschaft gehen vor Aufmerksamkeit. Denn ein billiger Effekt hilft am Ende nicht.
2. Aufmerksamkeit führt zu keiner Handlung
Natürlich gehört Aufmerksamkeit gemeinsam mit den Zielen zu einer Branding-Strategie. Aber eine soziale Marke wirkt langsam. Die Hoffnung hinter einer Markenstrategie: Wenn jemand sich eines Tages entschieden hat zu kaufen oder zu spenden, denn fällt die Marke wieder ein und sie spenden oder kaufen hier.
Was für Markenartikler noch gelten mag – je häufiger ich ein Produkt kaufe, desto stärker ist diese Wirkung – gilt für Nonprofit-Organisationen nur in seltenen Fällen. Vielfach ist es einfacher, in der Situation gleich eine Handlung auszulösen: Wer den (Spenden)Brief liest, wird so angesprochen, dass er oder sie auch spendet und nicht nur auf Ihre Organisation aufmerksam wird. Hierfür benötigen Sie aber eine andere Strategie und eine andere Inszenierung.
Fehlt die Handlungsaufforderung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Kommunikation nicht zum gewünschten Erfolg führt. Studien zeigen immer wieder die Wirkung und die Kraft einer Bitte: Wer nicht direkt fragt, bekommt eben auch nichts oder zumindest weniger. Wir empfehlen deshalb: Prüfen Sie, ob Sie nicht auf dem direkten Weg zum Ziel kommen können.
Für viele Nonprofit-Organisationen gilt: Gehen Sie den direkten Weg zu Ihrem Ziel. Das ist einfacher, spart Ressourcen und führt zu besseren Ergebnissen.
3. Auch ohne Aufmerksamkeit lassen sich ökonomische Ziele erreichen
Es gibt sie, die Organisationen, die bspw. im Fundraising erfolgreich sind und die nur Eingeweihte kennen. Entscheidend ist eben nicht immer, bei allen Menschen bekannt zu sein, sondern die Menschen zu erreichen, die bereit sind, einer Organisation zu spenden oder von ihr Leistungen zu kaufen. Entscheidend ist so oder so das Verhalten der Zielpersonen. Reagieren diese beispielsweise eher auf Incentives oder einen Matching Fund, braucht es eben keine Aufmerksamkeit, sondern schlicht die Mitteilung, dass dies gegeben ist. So lassen sich Ziele erreichen, auch wenn keine Aufmerksamkeit vorliegt.
Damit gilt: Auf den Entscheidungsprozess der Kunden und Förderer kommt es an.
4. „Aufmerksamkeit“ ist kein Ziel, sondern eine strategische Option
Häufig kommt es zur Konfusion, wenn Ziele und strategische Optionen verwechselt werden. In den meisten Fällen besteht das Ziel, neue Förderer oder Kunden zu gewinnen bzw. zu halten. Um dieses Ziel zu erreichen, kann es in einigen Fällen sinnvoll sein, „Aufmerksamkeit“ zu generieren. Hierfür bedarf es dann aber auch klaren strategischen Planung: Wie gelingt es, über die erzielte Aufmerksamkeit auch die Ziele zu erreichen? Mit anderen Worten: Wie wird aus jemanden, der aufmerksam geworden ist, ein Spender oder ein Kunde? Und: Welche Rolle spielt „Aufmerksamkeit“ im Entscheidungsprozess?
Das bedeutet dann auch, dass die strategische Option „Aufmerksamkeit“ mit einem Maßnahmenplan untersetzt werden muss, in dem nicht nur erklärt wird, wie Aufmerksamkeit erreicht werden kann, sondern auch wie die erzielte Aufmerksamkeit genutzt wird, um – vermutlich in weiteren Schritten – die gesteckten Ziele zu erreichen.
Wird „Aufmerksamkeit“ nicht als Ziel, sondern als strategische Option gesehen, ermöglicht dies auch ein sinnvolles Controlling. Das Erreichen von Aufmerksamkeit lässt sich schlecht messen, bedarf es hierzu eines Vorher-Nachher-Vergleichs. Besteht das Ziel hingegen in 10% zusätzlichen Kunden, kann beurteilt werden, ob „Aufmerksamkeit“ eine hinreichende Strategie war, um dieses Ziel zu erreichen. Damit besteht die realistische Chance, den Ressourceneinsatz optimaler zu planen.
Deshalb gilt: Ob „Aufmerksamkeit“ ein hinreichende strategische Option zur Erreichung Ihrer Ziele ist, muss ganz individuell geprüft werden. Denn auch Ihre Organisation ist ein Einzelfall.
Dr. Kai Fischer
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Mission Based Fundraising
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