Beispiele für Mission-Statements
Wie sehen „gute“ Mission-Statements aus, die ihre Funktion erfüllen – Förder/innen inspirieren und für Ihre Organisation als Richtschnur des Handelns dienen können?
Um diese Frage beantworten zu können, habe ich in dieser Woche einige Beispiele für Sie zusammengestellt. Schauen Sie sie sich in Ruhe an und überlegen Sie, ob Sie die emotionale Kraft spüren oder Sie sich zum Handeln inspiriert fühlen – oder worin die Unterschiede zwischen den einzelnen Beispielen liegen.
1. Mission-Statement der Wiener Tafel
Die Wiener Tafel formuliert auf ihrer Website folgendes Mission-Statement:
Unsere Mission ist der Einsatz gegen Armut, Hunger und Lebensmittelverschwendung. Unter dem Motto „Versorgen statt entsorgen“ retten wir überschüssige, einwandfreie Lebensmittel, und andere Güter des täglichen Bedarfs vor dem Müll und geben diese an soziale Institutionen weiter, welche armutsbetroffene und hilfsbedürftige Mitmenschen betreuen.
Die Wiener Tafel steht damit für einen Brückenschlag vom Überfluss zum Bedarf, zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und Interessensgruppen. Basis unserer sozialen Transferarbeit ist die erfolgreiche Kooperation mit Handel, Industrie, Landwirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und zivilgesellschaftlichen Initiativen - insbesondere mit den Sozialeinrichtungen.
Genauso wichtig wie die direkte praktische Hilfe ist uns dabei die Bewusstseinsbildung und die gesellschaftspolitische Veränderung in Hinblick auf Ressourcenschonung, ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit
Wenn man den Text liest, weiß man, was die Wiener Tafel macht und wie sie ihre Aufgabe sieht. Aber werden Sie von diesem Mission-Statement auch emotional angesprochen oder inspiriert? Vermutlich eher nicht. Wenn Sie sich den Text genau anschauen, dann sehen Sie, dass vor allem Was- (Was macht die Tafel?) und Wie-Fragen (Wie macht sie das?) beantwortet werden. Die Beantwortung von Wie- und Was-Fragen sind wichtig, um ein Verständnis der Tätigkeit zu erhalten. Sie ermöglichen uns, die Tafel in eine Schublade zu stecken und uns zu orientieren. Was sie nicht ermöglichen: Emotionen, Inspiration und damit einen Anschluss für eigene Handlungen.
Das Empörende hinter dem Wie und Was klingt an, wird aber hinter wohlformulierten Worten eher versteckt. Denn warum Lebensmittel gerettet werden müssen und Menschen in reichen westlichen Ländern mit Lebensmittel versorgt werden müssen, wird nicht thematisiert. Hierin liegt aber die eigentliche Mission einer Tafel. Schält man diesen emotionalen und normativen Kern heraus, könnte ein Mission-Statement für eine Tafel folgendermaßen lauten:
2. Bearbeitetes Mission-Statement der Wiener Tafel
Täglich werden Tonnen essbarer Lebensmittel und andere Güter einfach weggeworfen – weil sie kleine Schönheitsfehler haben und nicht mehr verkauft werden können. Gleichzeitig gibt es immer mehr Arme, denen es im reichen Österreich schwerfällt, die lebensnotwendigen Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen. Diese Verschwendung zu beenden und gleichzeitig diese Lebensmittel an Bedürftige zu verteilen, ist die Aufgabe der Tafel. Damit Bedürftige neben Müllcontainern voller guter Lebensmitteln nicht hungern müssen.
In dieser Bearbeitung steht das Warum im Zentrum: Überfluss und Verschwendung auf der einen und Hunger auf der anderen Seite. Aus dieser Diskrepanz speist sich für viele Menschen, die sich für eine Tafel engagieren, ihre Motivation. Denn es werden Normen bzw. Vorstellungen von Gerechtigkeit verletzt. Wird diese Normverletzung als empörend erlebt, entsteht die Motivation zum Handeln.
3. March for our Lives
Ein sehr schönes Mission-Statement hat die amerikanische Organisation „March for our Lives“. Die Organisation wurde von Schülern der Parkland High School nach dem Massaker an ihrer Schule gegründet.
Dieses Mission-Statement zeigt sehr schön die Abfolge von Antworten auf die Warum-, Wie- und Was-Fragen: Es wird postuliert, dass man es nicht mehr erlauben kann, dass Schüler durch Schusswaffen getötet werden und Lehrer sich vor ihre Schüler werfen müssen. Anschließend werden Wie-Fragen beantwortet: Sie stehen auf und stellen politische Forderungen. Die politischen Forderungen – was muss sich ändern? – schließen sich an.
Damit folgt dieses Mission-Statement der von Simon Sinek vorgestellten Abfolge von Antworten auf Warum-, Wie- und Was-Fragen. In dieser Reihenfolge – so sagt Sinek – werden Menschen inspiriert. Damit ist die Grundlage geschaffen, Aufmerksamkeit zu erzielen und Unterstützer/innen zu finden.
4. Heifer international
Eine in meinen Augen sehr gelungene Video-Umsetzung ihres Mission-Statements ist der amerikanischen Organisation „Heifer international“ gelungen.
Auch Heifer zeigt gleich am Anfang, warum es aktiv ist: Es ist weder denkbar noch zu akzeptieren, dass 870 Mio. Menschen hungern oder in Armut leben. Deshalb tritt Heifer an, Hunger und Armut zu beenden. Anschließend werden auch in diesem Video Wie- und Was-Fragen beantwortet. Der Wechsel der Fragen-Komplexe wird durch Änderungen in der Begleitmusik unterstrichen.
Am Beispiel von Heifer kann man auch gut den Unterschied zwischen einem Mission-Statement und einem Slogan sehen: Der Slogan von Heifer lautet: „Ending Hunger and Poverty“. Dies ist eine Antwort auf eine Was-Frage (Was macht Heifer) und ermöglicht uns als Zuschauer, Heifer in die „richtige“ Schublade zu stecken. Das Misssion-Statement ist umfassender und beschreibt an erster Stelle, warum Heifer für die Beendigung von Hunger und Armut eintritt, wie sie arbeiten und welche Ansätze zur Lösung sie umsetzen.
Fazit
Diese Beispiele sollen Sie inspirieren und Ihnen zeigen, dass die Beantwortung der Warum-Frage begeistern kann und Antworten auf die Wie- und Was-Fragen uns Orientierung ermöglichen, aber selten Emotionen wecken und uns zum Handeln motivieren. Als Ergebnis sehen Mission-Statements einfach aus. Sie so zu formulieren, ist allerdings aufwendig und umfasst in der Regel mehrere Schritte, bis am Ende eine Formulierung steht, die den Kern Ihrer Organisation trifft.
Wünschen Sie weitere Informationen zur Erstellung eines Mission-Statements, sprechen Sie mich gerne an.
Seit mehr als 10 Jahren erarbeitet Dr. Kai Fischer mit Nonprofit-Organisationen, Stiftungen und Sozialunternehmen Mission-Statements zur Positionierung, als Markenkern und als Grundlage der Kommunikation. In dieser Zeit hat er mehr als ein Dutzend Organisationen bei der Erstellung eines Mission-Statements begleitet.
https://marchforourlives.com/mission-statement/
Dr. Kai Fischer
Sprechen Sie mich gerne an, ich freue mich von Ihnen zu hören!
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Mission Based Fundraising
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