Fundraising in der Corona-Krise – ein Zwischenfazit

Seit sechs Monaten sind wir mittlerweile mit den Herausforderungen der Corona-Krise konfrontiert. Nach dem ersten moderaten Lockdown und dem anschließenden Sommer, der uns ein wenig Erholung verschaffte, steigen im Herbst die Zahlen der Infektionen wieder an. Während einige Branchen stark unter den Verwerfungen leiden, sind andere bisher gut durch die Krise gekommen. Wie schaut es im Fundraising und beim Spenden aus?

Um es vorwegzunehmen: Die große Krise ist ausgeblieben. Die meisten Organisationen, mit denen wir gesprochen haben, konnten ihre Einnahmen im Fundraising stabil halten oder sogar steigern. Das ist insgesamt ein erfreuliches Bild. Schaut man jedoch genauer hin, zeigen sich erste Erkenntnisse, die das Bild noch trüben könnten. Drei Aspekte spielen für die derzeitige Situation aus unserer Sicht eine besondere Rolle:

1. Beziehung zählt

Wer in den letzten Jahren in den Aufbau langfristiger Beziehungen investiert hat, kommt besser durch eine Krisensituation. Wer einen Platz im Kopf seiner Förder/innen besitzt, hat in dieser Situation einen Vorteil. Denn Förder/innen verbinden mit der Organisation ein für sie wichtiges Anliegen. Je wichtiger ihnen das Anliegen ist, desto länger halten sie an einer Förderung fest oder weiten es in einer Krisenzeit sogar aus. Denn sie haben ein Interesse daran, dass Ihre Organisation nicht insolvent wird. Wer sollte sich sonst um das Anliegen kümmern?

Hier zeigt sich eine spezifische Form der Solidarität – in einer Krisensituation zusammenzustehen und füreinander einzustehen. Dies schließt wichtige Organisationen, aber auch Kultureinrichtungen sowie Restaurants, Clubs und Cafés mit ein.

Strategisch lässt sich hieraus ableiten, dass noch stärker auf den Aufbau von Beziehungen zu achten ist. Neben der Positionierung und der eigenen Mission gehören hierzu auch die Ansprache der „richtigen“ Förder/innen – diejenigen, die sich überhaupt binden wollen – und das Investment in die Beziehungen, damit weniger Menschen als Förder/innen verloren gehen.

2. Die Wirtschaftskrise hat noch nicht durchgeschlagen

Die wirtschaftliche Situation ist zurzeit sehr uneinheitlich: Während Studierende vielfach ihre Jobs verloren haben und viele Selbständige sowie Tourismus, Gastronomie, Events, Kultur und andere massiv unter den Kontakt-Einschränkungen leiden, haben andere bisher kaum finanzielle Auswirkungen gespürt. Einige Branchen gehören zu den Gewinnern der Situation, andere arbeiten weiter wie zuvor. Darüber hinaus federt Kurzarbeit die Belastungen ab und Insolvenzen von Unternehmen haben aufgrund der geänderten gesetzlichen Vorgaben noch nicht zugenommen.

Hinzu kommt: Die Gruppe der wichtigsten Spender/innen ist von den ökonomischen Auswirkungen der Krise kaum bis gar nicht betroffen. Die Über-70jährigen, die die größten Beträge geben, beziehen Renten und Pensionen oder haben andere Einkünfte. Diese fließen trotz Krise weiter.

Entsprechend unterschiedlich zeigen sich auch die Einnahmen im Fundraising: Wer vor allen Dingen Studierende als Förder/innen hat, berichtet von zum Teil dramatischen Einbrüchen. Anders sieht es bei Organisationen aus, die eher Senioren als Spender/innen ansprechen. Ihre Einnahmen sind sogar gestiegen.

Auch bei Unternehmen und Stiftungen ist die Situation eher uneinheitlich: Unternehmen in akuten Krisensituationen schränken ihre mäzenatischen Tätigkeiten tendenziell ein. Unternehmen, die in der Krise gut verdienen, spenden weiterhin. Stiftungen, die noch nicht einschätzen können, wie viele Förderungen sie ausreichen können, konzentrieren sich momentan auf ihre bisherigen Projekte und stellen sicher, dass diese gut über die Krise kommen.

3. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind noch gering

Was auch im Vergleich mit anderen Ländern deutlich wird: Die Auswirkungen insgesamt auf die Gesundheit sind in Deutschland geringer. Es sterben an dem Virus Menschen, aber nicht in dem Umfang wie anderswo. Trotz wieder steigender Infektionszahlen scheint die Situation noch beherrschbar.

Insofern können wir noch nichts darüber aussagen, was passieren würde, wenn wir Verhältnisse wie in einigen europäischen Nachbarstaaten hätten. Aber man kann mit einiger Sicherheit vermuten, dass eine sich massiv gesundheitlich auswirkende Pandemie auch auf das Spenden durchschlagen würde: Menschen sind in so einer Situation eher mit sich selbst und ihren kranken Angehörigen beschäftigt und kaum für Anliegen der Zivilgesellschaft ansprechbar.

Hinzu kommt: Vornehmlich betroffen von den Todesfällen sind besonders gute Spendergruppen – Menschen mit einem hohen Alter. Nehmen also die Todesfälle dramatisch zu, dann steht zu befürchten, dass viele Menschen sterben, die auch gute Spender/innen sind. Auch diese Übersterblichkeit könnte dann in den Einnahmen im Fundraising sichtbar werden.

Fazit

Trotz der wirtschaftlichen Verwerfungen und Krisen, die in einigen Bereichen der Wirtschaft zu sehen sind, sind die Auswirkungen der Krise bisher eher moderat. Auch wenn einige Menschen stark betroffen sind, macht sich dies insgesamt noch nicht bemerkbar. Entsprechend ist deshalb die Situation im Fundraising: Auch wenn Förderungen von Unternehmen und Stiftungen tendenziell zurückgehen, sind Spenden von Privatpersonen für die meisten Organisationen stabil. Stärker betroffen sind Organisationen, die Zielgruppen haben, die ökonomisch stärker von der Krise betroffen sind. Insgesamt ist das Fundraising bisher gut durch die Krise gekommen. Hoffen wir, dass es auch über den Winter so bleibt und die zweite Welle zu keinen weiteren Verwerfungen und Lockdowns führt. Dann könnte sich die Situation noch einmal wandeln.

Welche Erfahrungen machen Sie zurzeit? Vor welchen Herausforderungen stehen Sie, und wie sehen Sie dem kommenden Herbst und Winter entgegen? Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.

 

Eine nachhaltig finanzierte Zivilgesellschaft, die die Welt ein Stück besser macht und ohne Ausbeutung und Selbstausbeutung auskommt, ist die Mission von Dr. Kai Fischer. Deshalb beschäftigt er sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Aufbau langfristiger Beziehungen zu Förder/innen und bietet hierfür Strategie-Beratungen, Inhouse-Workshops und Seminare an.

 

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Dr. Kai Fischer

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