Neuspendergewinnung oder Fördererbindung – was ist die bessere Alternative?
Wieder hat ein neues Jahr begonnen und einer der ersten Blicke geht in das vergangene: Wie viele Spender haben wir verloren? Jede Organisation hat hier andere Zahlen, aber wenn wir der Marktforschung glauben dürfen: ca. 40% aller Spender gehen pro Jahr den Organisationen verloren. Sie spenden nicht mehr oder für eine andere Organisation. Häufig sieht es bei den Erst-Spendern noch schlechter aus. Es gibt Zahlen aus dem angelsächsischen Ländern, die zeigen, dass jede zweite Erstspender nie wieder für die Organisation spendet. Das bei Kosten zwischen 100 und 200 € für die Gewinnung eines Neuspenders – so die Zahlen, die Michael Urselmann vor einigen Jahren einmal ausgerechnet hat.
Wir wollen hier gar nicht über die Kosten lamentieren, die hiermit verbunden sind. Vielmehr ergibt sich für alle Fundraiser eine Frage: Wie können die Einnahmen gesteigert oder zumindest konstant gehalten werden? Dafür gibt es in dieser Situation zwei Alternativen: Neuspender gewinnen oder die bestehenden Förderer besser binden, damit sie mit ihren Spenden über einen längeren Zeitraum einen Beitrag zur Deckung der Kosten leisten.
Intensivierung der Neuspender-Gewinnung
Intensivierung der Neuspendergewinnung ist eine häufige Antwort. Diese strategische Antwort ist naheliegend: Brechen jedes Jahr zwischen 20% und 40% der Förderer weg, müssen diese durch 20% bis 40% neue Förderer ersetzt werden – nur damit die Einnahmen der Organisation stabil bleiben.
Erschließung neuer Zielgruppen
Die Entscheidung, Neuspender zu gewinnen, ist häufig mit der Frage verbunden, wie man neue Zielgruppen erschließen könne: Wie lassen sich jüngere Menschen erreichen („Hilft hier vielleicht Facebook?“), wie können verstärkt Männer gewonnen werden oder ist es sinnvoll, neue Kommunikationswege („Wie wäre es mit Face-to-Face auf der Straße?“) zu versuchen. Häufig sind auch Agenturen zur Stelle, die eine neue Liste oder die Nutzung eines neuen Kommunikationskanals anbieten. Neuspendergewinnung ist damit nicht nur intuitiv, sondern auch einfach umzusetzen.
Neuspender-Gewinnung – eine intuitive Entscheidung
Eine Investition in Fördererbindung ist – allen ökonomischen Argumenten zum Trotz – weniger intuitiv: Förderer, die schon weg sind, wird man nicht ersetzen, die Anzahl der Förderer sinkt. Dass im nächsten Jahr weniger Förderer verloren gehen werden, und Förderer, die länger Ihrer Organisation verbunden bleiben zu einem höheren Life-Time-Value führen, kann zwar mathematisch gezeigt werden, ist aber zunächst einmal abstrakt. Aufgrund unserer kognitiven Möglichkeiten – und wir entscheiden gern intuitiv – ist die Neuspendergewinnung erste Wahl – trotz aller Folgeprobleme.
Wer sich für Fördererbindung entscheidet möchte steht zusätzlich vor zwei Fragekomplexen, die alles andere als trivial sind:
- 1. Was müssen Sie machen, damit Ihre Förderer loyaler sind und länger ihre Organisation unterstützen?
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Loyalität von Förderern ganz erheblich von ihren Erfahrungen mit Ihrer Organisation abhängen. Damit stehen dann alle Fundraising-Prozesse auf dem Prüfstand. Konkret bedeutet dies: Wie lange dauert es, bis Sie sich bei Ihren Förderern bedanken und wie persönlich erfolgt dieser Dank? Wer nach drei bis vier Wochen einen Dank per Brief schickt hat schon ein erstes Problem. Denn eine Beziehung lässt sich nur aufbauen, wenn innerhalb von 48 Stunden persönlich gedankt wird – egal, wie hoch die Spende ist und am besten per Telefon. Ein schneller und persönlicher Dank zeigt dem Spender, dass seine Gabe angekommen und bemerkt worden ist. Beides ist wichtig, um Unsicherheit zu vermeiden und Wertschätzung auszudrücken.
Kommunikation entscheidet
Wer darüber hinaus auch auf die Zuwendungsbestätigung bei Spenden unter 200 € verzichtet, begeht – trotz der Kosten – einen Fehler, den viele Spender nicht verzeihen. Sie wollen nämlich wissen, wie Sie sie eingesetzt haben und wie ihre Spende gewirkt hat. Information ist eine erste Bring-Schuld jeder Nonprofit-Organisation. Denn: Förderer geben nicht Ihrer Organisation, sondern durch Ihre Organisation.
Wie schaut es bei Ihnen mit Wertschätzung der Förderer aus? Machen Sie deutlich, wie wichtig die Förderer zur Erreichung Ihrer Mission sind? Wer versäumt, Förderern eine Rolle innerhalb der Organisation zuzuweisen, darf sich nicht wundern, wenn Förderer bei weiteren Aufrufen nicht reagieren.
Umsetzung geschieht im eigenen Haus
Auch wenn viele Elemente zum Aufbau einer langfristigen Fördererbeziehung bekannt sind, ist die Umsetzung alles andere als trivial. Denn viele Prozesse müssen von der eigenen Organisation gesteuert und viele auch umgesetzt werden. Schon Rückbindungen an den Erfolg von Programmen und Projekten bedürfen einer intensiven innerorganisatorischen Kommunikation zwischen verschiedenen Abteilungen, was für eine Reihe von Organisationen alles andere als trivial ist.
- 2. Können Ihre Spender überhaupt gebunden werden?
Nicht zuletzt aus dem Fundraising im Umfeld von Katastrophen wissen wir, dass viele Förderer, die auf diesen Anlass spenden, nicht auf Spendenaufrufe für andere Zwecke reagieren. Sie sind an den Anlass der Katastrophe gebunden, nicht an Ihre Organisation.
Auch bei Anlass-Spenden haben die Spender am Ende der Kette keine Beziehung zu Ihrer Organisation. Diese besteht allenfalls zu den Anlass-Gebern. Entsprechend unwahrscheinlich ist es, unter den Anlass-Spendern Interessenten für Spendenaufrufe Ihrer Organisation zu finden.
Nicht immer entstehen Beziehungen im Fundraising
Es gibt folglich eine ganze Reihe von Organisationen, die heute ein Fundraising praktizieren, bei dem keine oder nur marginale Bindungen entstehen. Dies kann man durchaus machen – das ist eine strategische Entscheidung zur Gewinnung von Neuspendern – muss sich dann aber nicht wundern, wenn diese Förderer nur einmal spenden.
Mission als Anker langfristiger Beziehungen
Drehen wir diese Erkenntnis um, dass lässt sich prognostizieren, dass eine langfristige Beziehung zu Förderern aufgebaut werden kann, die eine Beziehung zu Ihrer Mission haben, die Sie unterstützen, damit auf Basis geteilter Werte Projekte und Programme umgesetzt werden.
Welchen Weg Sie gehen wollen – Sie haben die Wahl.
Dr. Kai Fischer
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