Rezension Mission Wohlfahrtsmarkt

Grohs, S, Schneiders, K. Heinze R. G.: Mission Wohlfahrtsmarkt. Institutionelle Rahmenbedinungen, Strukturen und Verbreitung von Social Entrepreneurship in Deutschland. Nomos Verlag 2014

Wer eine tiefgründige Analyse sucht, wie sich der Wohlfahrtsmarkt entwickelt, welche Veränderungen er insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten durchlaufen hat und in welche differenzierten Strukturen Akteure in der Wohlfahrt agieren, wird in diesem Buch unbedingt fündig. Historisch aufgearbeitet und quantitativ empirisch untersetzt, wird ein Großteil der Bedingungen, auf die Social Entrepreneuship trifft, ausführlich und fundiert beschrieben. Damit nimmt das Buch einen herausragenden Stellenwert neben der bisherigen (Ermutigungs)Literatur zu Social Entrepreneurship ein. Dies ist hoch einzuschätzen, weil wir erst beginnen, uns neugierig auf dieses Struktur- und Tätigkeitsabenteuer einer neuen Gestalt sozialer Wohlfahrt hin zu bewegen. Damit leisten die Autoren einen wichtigen Beitrag, ein Bild zur Tragfähigkeit, zur innovativen Kraft und strukturellen Eigenheit zu bekommen.

Die Autoren gehen das Thema historisch an: Die Folgen der Konzentrationsprozesse des Wohlfahrtsmarktes, die sich durch die Etablierung und Rolle großer Verbände ergeben, werden genauso ausgeführt wie die Folgen der gegenwärtige Liberalisierung. Ein internationaler Exkurs führt den Leser in einen interessanten Vergleich bezüglich der Finanzierung, Beschäftigung und Bedeutung wohlfahrtlicher Arbeit ein.

Soziale Innovation – als eine der untersuchungsleitenden Kategorien – wird sowohl in Gestalt von Intrapreneurship wie auch von Entrepreneurship betrachtet und somit auch die Vielfalt der Genese aufgenommen.

Konkrete Untersuchungsergebnisse legen die AutorInnen auf den beiden interessanten Feldern „Bildung“ und „Altenhilfe“ vor. Speziell werden die Lösungswege zur Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund und zur kultursensiblen Altenpflege vorgestellt.

Zur Verbreitung von Social Entrepreneurs legt das Buch eine vorläufige Antwort im Rahmen und damit natürlich auch mit allen Beschränkungen einer empirischen Fassbarkeit vor. Es wird interessant bleiben, die Verbreitung von Social Entrepreneurships in 150 Jahren zu untersuchen, wenn sie genauso alt wie einige Organisationen der traditionellen Wohlfahrtspflege sind.

Einige Fragen drängen sich mir auf: Die Autoren operieren mit dem Marktbegriff. Ist diese Kategorie die beste, wenn man sich auf hybriden Formen bezieht und sich mithin auch die intermediäre Stellung dieses Bereichs in unserer Gesellschaft bewusst hält? Das ist kein Vorwurf an die Autoren, schließlich verwenden sie das gesellschaftlich und wissenschaftlich übliche Vokabular. Tatsächlich aber greift diese Setzung Markt zu kurz, insbesondere wenn unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit auf Finanzierung und Geschäftsmodelle bezogen wird. Auch auf diesem Gebiet warten drängende Fragen auf innovative Antworten nicht nur seitens der Entrepreneure sondern seitens verschiedener Akteure unserer Gesellschaft.

Reichen die anerkannten epistemologischen Mittel und Methoden der Wissenschaft aus, um eine adäquate Erkenntnisproduktion leisten zu können, wenn die Formen sozialer Wohlfahrtsproduktion so weit auseinander liegen?

Der Impact von Social Entrepreneurs liegt weit über ihre inhaltlichen Felder hinausgehend in ihrer gesellschaftsinnovativen Kraft. Ihr Eigenwert liegt darin, neben etablieren und eingespurten Arrangements ein neues werteorientiertes Unternehmertum – im weiten Sinne verstanden – zu wecken, das sich sozialen Problemlagen widmet. Es bleibt spannend, ebenfalls zu untersuchen, wie sich Gesellschaft und Wohlfahrtsmarkt bewegen, diesen Impuls zu beantworten – eben als qualitative Dimension von Verbreitung. Die Autoren verweisen in ihrem Ausblick auch darauf.

Für dieses Buch sollte man es nicht eilig haben. Hier geht Gründlichkeit vor – weiten argumentativen Ausholbögen wird der Vorzug vor konzentrierten Kernaussagen gegeben. Aber: So kennen und lieben wir ja die Wissenschaft.

 

Dr. Kai Fischer

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