Warum Sinus-Milieus im Fundraising selten funktionieren

Im Marketing kennt man sie schon seit vielen Jahren und sie helfen, Entscheidungen über Zielgruppen zu treffen: Die Sinus-Milieus. Hinter den Sinus-Milieus verbirgt sich eine Theorie aus den frühen 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich Gesellschaften nicht nur hinsichtlich der Verteilung von ökonomischem Kapital differenzieren, sondern auch hinsichtlich der Nutzung kultureller Güter und ihrer Beziehungsnetzwerke. Häufig korrespondieren alle drei Formen von Kapital, aber das muss nicht sein. Entsprechend lassen sich unterschiedliche Gruppen beschreiben, die sich sowohl hinsichtlich ihres Einkommens und Vermögens als auch hinsichtlich unterschiedlicher Einstellungen sowie der Verwendung unterschiedlicher Produkte unterscheiden. Dies bilden für Deutschland die 10 Sinus-Milieus ab

Marken von Unternehmen vs. Marken von Nonprofits

Um zu verstehen, worin der Unterschied zwischen Profit- und Nonprofit-Organisationen besteht, lohnt sich ein Blick auf die Unterschiedlichkeit ihrer Marken: Marken von Profit- und Nonprofit-Organisationen geben beide ein Leistungsversprechen und Orientierung in einer zunehmend komplexeren und unübersichtlichen Welt. Wer sich für eine Marke entscheidet, hat den Eindruck, dass er oder sie weiß, was man bekommt. (Ob das immer so ist, steht auf einem anderen Blatt.)

Der Unterschied besteht darin, dass Marken von Unternehmen darüber hinaus eingesetzt werden zur Distinktion. Hierunter verstehen Soziologen das Zuordnen und Abgrenzen von sozialen Gruppen. Wenn Menschen ihr iPhone oder iPad auspacken, zeigen sie hiermit nicht nur, dass ihnen Qualität und ein einfacher Umgang mit Technik am Herzen liegen. Sie zeigen auch, dass sie zu einer Gruppe von Menschen gehören, die nicht nur in der Lage sind, besonders hohe Preise für ihre Technik zu zahlen, sondern sich unter Umständen auch zu einer bestimmten Gruppe zählen. Genauso übrigens wie diejenigen, die bewusst keine Produkte des Konzerns mit dem Apfel kaufen und nutzen. Beide Gruppen grenzen sich gegeneinander ab.

Wie bewegen Sie sich fort?

Oder die Wahl des Autos: Ein SUV ist eben nicht nur ein Auto, das besondere Übersicht und Sicherheit verspricht. Es ist auch ein Symbol für ökonomische Potenz, da sowohl die Anschaffungskosten als auch die höheren Betriebskosten finanziert werden müssen. Darüber hinaus ist es auf der anderen Seite auch ein Symbol für Ressourcenverbrauch, Platzverschwendung und Bedrohung. Je nachdem, wie Sie sich entscheiden: Sie gehören damit der einen oder anderen Gruppe an.

Sie fahren gar kein Auto? Haben es abgeschafft, fahren Fahrrad und Bahn? Auch dann zeigen Sie hiermit Ihre Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Denn Sie sich dann besonders ökologischen, achten auf das Klima und zeigen, wie wichtig Ihnen dies ist. Dafür müssen Sie sich in volle Züge und Busse quetschen und andere Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen.

Marken als Unterscheidungsmerkmal

Wenn Marken und Produkte gut positioniert sind, dann eignen sie sich für Kunden als Unterscheidungsmerkmal. Man kann sich durch ihre Verwendung zu einer Gruppe dazuzählen – sie erkennt sich an der Verwendung bestimmter Produkte – oder hiervon abgrenzen. Wer den Code der jeweiligen Gruppe nicht kennt, gehört halt nicht dazu und ist draußen – eine Außenseiterin. Gelingt es die eigene Marke so aufzuladen, dann können Premium-Erlöse erzielt werden.
Dies gilt für Marken von Unternehmen. Und genau für diese Prozesse sind Sinus-Milieus entwickelt worden: Sie zeigen, welche Gruppen sich von einander abgrenzen, unterschiedliche Einkommen und Werte haben. Und die Abgrenzung funktioniert über Marken, die von einer Gruppe genutzt und von anderen abgelehnt werden. Damit sind sie sozialer Marker, an denen sich Menschen in einer Gesellschaft orientieren können.
Spenden als individuelle Handlung

Genau dies funktioniert bei Marken von Nonprofit-Organisationen nicht. Spenden ist kein sozialer, sondern ein individueller Akt. Die Entscheidung für eine Spende ist vielfältig mit der Identität einer Person und ihren Erfahrungen verknüpft. Denn über Spenden wird in Deutschland selten gesprochen. Die Entscheidungen werden selten mit anderen geteilt. Sie ermöglichen deshalb keine Distinktion und sie funktionieren nicht als soziale Marker in einer unübersichtlichen Welt.

Wenn aber Sinus-Milieus gerade für Prozesse der Distinktion wertvolle Hinweise geben, dann sind sie gut im kommerziellen Bereich einzusetzen. Warum jemand spendet, kann hieraus nicht abgeleitet werden. Ob sich jemand für Sie, Ihre Organisation oder Ihr Thema interessiert, hat etwas mit der Person selbst und weniger mit der Verortung im sozialen Raum zu tun. Sinus-Milieus geben deshalb keine sinnvollen Hinwiese, welche Menschen als potenzielle Förder/innen infrage kommen. Kommunikation hierauf zu beziehen, greift vielfach zu kurz und führt dann schnell in die Irre. Hier müssen wir uns andere Modelle überlegen.

Eine nachhaltig finanzierte Zivilgesellschaft, die die Welt ein Stück besser macht und ohne Ausbeutung und Selbstausbeutung auskommt, ist die Mission von Dr. Kai Fischer. Deshalb beschäftigt er sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Aufbau langfristiger Beziehungen zu Förder/innen und bietet hierfür Strategie-Beratungen, Inhouse-Workshops und Seminare an.

 

Dr. Kai Fischer

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